Grottenlied

Nun kamen wir her zu des Königs Haus
Vorwißende Frauen, Fenja und Menja.
Bei Frodi werden, Fridleifs Sohne,
Die mächtigen Maide als Mägde gehalten.

Man führte zur Mühle die Frauen alsbald,
Die Schrotsteine sollten sie rühren.
Er ließ ihnen länger nicht Ruhe laßen
Als solang er hörte die Mägde singen.

Da ließen sie knattern die knarrende Mühle:
„Umschwingen wir Starken den leichten Stein.“
Nur mehr zu malen bat er die Mägde.

Sie sangen und schwangen den schnaubenden Stein
Bis Frodis Volk in Schlaf verfiel.
Da sang Menja, die malen sollte:

„Wir malen dem Frodi Macht und Reichtum
Und goldenes Gut auf des Glückes Mühle.
Er sitz ihm im Schooß und schlaf’ auf Daunen
Nach Wunsch erwachend: das ist wohl gemalen.

„Nie soll hier Einer dem Andern schaden,
Hinterhalt legen, Unheil ersinnen,
Mit scharfem Schwerte nicht Wunden schlagen,
Und fänd er gebunden des Bruders Mörder.“

Da war es das erste Wort, das er sprach:
„Haltet nicht länger ein als der Hauskuckuck schläft,
Oder nur während eine Weis[WS 1] ich singe.“

„Nicht warst du, Frodi, vorsichtig genug,
Den Mannen holdselig, als du Mägde kauftest:
Auf Stärke sahst du und schönes Antlitz;
Achtetest ihrer Abkunft nicht.

„Hart war Hrungnir und hart sein Vater,
Doch stärker als sie scheint mir Thiassi.
Idi und Örnir sind unsere Väter,
Der Bergriesen Brüder, die uns beide zeugten.

„Nicht wär Grotti gekommen aus grauem Felsen,
Nicht der schwere Schrotstein aus dem Schooß der Erde,
Nicht rührte den Mandel des Bergriesen Tochter,
Wäre das Wem der Menschen bewust.

„Wir waren Gespielen neun Winter lang,
Da unter der Erde man uns erzog:
Da übten wir Mägde schon manche Großthat,
Faßten Felsen sie fort zu rücken.

„Wir wälzten die Steine zu den Riesenwohnungen:
Die Erd im Grunde begann zu zittern.
Wir stießen und stürzten den Stein, daß er ächzte,
Die ragende Felswand ward Menschen erreichbar.

„Seitdem geschahs, daß in Schweden wir
Vorwißende Frauen die Heerschar führten,
Bären birschten, Schilde brachen,
Entgegen gingen grau geschientem Heer.
Wir stürzten Stammfürsten, stützten Andre:
Gutthorm dem guten gaben wir Beistand,
Feierten nicht früher bis Knui fiel.

„Solcherlei schufen wir Sommer und Winter
Bis wir als Kämpen wurden bekannt.
Mit scharfen Speren schlugen wir Wunden
In Fleisch und Gebein und färbten die Klingen.

„Nun sind wir gekommen zu des Königs Haus
Und werden unmenschlich als Mägde behandelt:
Grus frißt die Sohlen und Kälte die Glieder;
Wir malen dem Feinde: schlimm ists bei Frodi.

„Ruhet nun, Hände, raste nun, Stein,
Genug von Mir gemalen ist nun.
Doch haben die Hände hier nicht Ruhe
Bis Frodi meint genug sei gemalen.

„So greifet nun, Helden, zu harten Geeren,
Zu triefenden Waffen. Erwache, Frodi!
Erwache, Frodi! willst du lauschen
Unserm Singen und alten Sagen.

„Feuer seh ich brennen östlich der Burg,
Kriegsbotschaft kommt, das verkündet die Glut.
Ein Heer ist im Anzug, eindringt es hier,
Und verbrennt alsbald die Burg dem Fürsten.

„Nicht magst du mehr halten den Stuhl in Hledra
Mit rothen Spangen und spähem Gestein.
Mächtiger malen wir Mägde noch.
Noch weilst du, Walmaid, dem Walfeld fern.

„Tapfer malt meines Vaters Tochter,
Denn vieler Fürsten Fall sieht sie nahn.
Schwere Stücke springen von der Mühle,
Eisen beschlagene: doch immer gemalen!

„Nur immer gemalen! Yrsas Sohn,
Halfdans Enkel wird Frodi rächen.
Er wird von ihr geheißen werden
Sohn und Bruder; wir beide wißens!“

Die Mägde malten aus aller Macht:
Die Jungen waren in Jotenzorn.
Die Malstange brach, die Mühle riß,
Der mächtige Mühlstein fuhr mitten entzwei.

Die Bergriesen- bräute sprachen:
„Nun finden wir, Frodi, wohl Feierabend:
Genug gemalen haben wir Mägde.“