Gudhrûnarkvidha thridhja (Das dritte Gudrunenlied)

Herkia hieß eine Magd Atlis, die seine Geliebte gewesen war. Sie sagte dem Atli, sie habe Dietrich und Gudrun beide beisammen gesehen. Darüber ward Atli sehr verstört. Gudrun sprach:

Was ist dir, Atli, du Erbe Budlis?
Was belädt dir das Herz? Du lachst nicht mehr.
Vielen Fürsten gefiel’ es beßer,
Sprächst du mit den Leuten und sähst mich an.

Atli.
Mich grämt, Gudrun, Giukis Tochter,
Was hier in der Halle mir Herkia sagte:
Unter Einer Decke mit Dietrich schliefst du,
Los in das Leintuch lägt ihr gehüllt.

Gudrun.
Über das Alles Eide leist ich dir
Bei jenem geweihten weißen Stein,
Daß ich mit Dietmars Sohne nicht zu schaffen hatte
Was dem Herren gehört und dem Gatten.

Hab ich den Herzog umhalst etwa,
Den Unbescholtnen einmal vielleicht,
Auf Andres zielten unsre Gedanken,
Da harmvoll Zwiegespräch wir Zweie hielten.

Zu dir kam Dietrich mit dreißig Mannen:
Nicht Einer lebt ihm von allen dreißigen.
Bring deine Brüder in Brünnen hieher,
Mit deinen nächsten Neffen umgieb mich.

Bescheide der Sachsen, der südlichen, Fürsten,
Der zu weihen weiß den heiligen Keßel. —

In die Halle traten siebenhundert Helden
Eh die Hand die Königin in den Keßel tauchte.

Gudrun.
Nicht kommt mir Gunnar, nicht klag ichs dem Högni,
Nie soll ich mehr sehen die süßen Brüder.
Rächen würde Högni den Harm mit dem Schwert.
So muß ich selber von Schuld mich reinigen. —

Sie tauchte die weiße Hand in die Tiefe,
Griff aus dem Grunde die grünen Steine:
„Schaut nun, Fürsten, schuldlos bin ich,
Heil und heilig, wie der Hafen walle.“

Da lachte dem Atli im Leibe das Herz
Als er heil sah die Hände Gudruns:
„So soll nun Herkia zum Hafen treten,
Welche der Gudrun wähnte zu schaden.“

Nie sah Klägliches wer nicht gesehn hat
Wie da Herkias Hände verbrannten.
Sie führten die Maid zum faulenden Sumpf:
So ward Gudrun vergolten der Harm.